Astronautenblick

Niklas Jordan

Satellitendaten liefern nicht nur der Wissenschaft neue Erkenntnisse, sondern halten auch für Umweltaktivist*innen, Bürgerinitiativen oder auch Journalist*innen wertvolle Blicke auf die Erde bereit. Satellitenbilder geben uns allen die Möglichkeit, einen seltenen Blick, der sonst Astronauten vorbehalten ist, auf die Erde von oben zu erhaschen. Dabei dürfen wir oftmals nicht nur staunen, sondern auch erschrecken – über die unvorstellbare Kraft des Parasiten “Mensch”, der sich auf der Erde breitmacht.

Wasser & Leben

N 25º 42.125760, E 32º 38.831160

Auf diesem Bild ist die Grenze zwischen Leben und Tod sehr eindrücklich zu sehen. Die tiefblaue Linie, die sich durch das Bild schlängelt, ist der Nil. Der Strom in Ägypten gilt als der längste Fluss der Welt und bietet den Menschen in der Region eine Lebensgrundlage. Die rot-gefärbten Bereiche bedeuten Leben. Das Rot zeigt gesunde Vegetation. In diesem Fall sind dies meist Agrarflächen. Die dunkelgrauen Bereiche innerhalb der roten Flächen sind Städte. Sie liegen alle am Nil. Die großflächigen grauen Teile sind das Nichts, die Wüste. Der Nil ist wie eine Lebensader, die sich durch diese menschenfeindliche Umgebung zieht.

Wasser

N 47º 36.925169, E 10º 44.204899

Viele Menschen denken beim “Klimawandel” als Erstes an verwüstende Hurrikane in den USA, den steigenden Meeresspiegel in Südseeinseln und verheerende Waldbrände in Australien. Deutschland gerät da schnell in Vergessenheit. Aber auch dort sind Veränderungen des Klimas deutlich spürbar. Beispiel: der Forggensee in Bayern. Dieses Bild entstand im “Hitze-Sommer” 2018. Der flächenmäßig größte Stausee Deutschlands wirkt eher wie eine Pfütze. Der große hellbraune Fleck in der Mitte des Bildes sollte eigentlich komplett mit Wasser bedeckt sein und türkis anmuten. Solche extremen Dürren wie in den letzten Jahren, die komplette Seen austrocknen lassen, sind nicht nur für Bauern oder Förster eine Katastrophe. Auch der regionale Tourismus leidet darunter.

Zerstörung

N 18º 40.154281, E 32º 3.139604

Im Jahr 2003 beschloss die chinesische Regierung, den Merowe-Damm im Sudan als ihr erstes großes Wasserkraftprojekt in Übersee zu finanzieren. Durch den Bau des Damms wurden mehr als 50.000 Menschen aus ihren Häusern und Dörfern vertrieben. Aus dem fruchtbaren Niltal wurden sie in die unfruchtbare nubische Wüste umgesiedelt. Auch 5000 Jahre alte archäologische Stätten wurden überflutet. An der südlichen Seite wirkt der Stausee durch den 9200 Meter langen Damm wie abgeschnitten. Mit seinen 470 Quadratkilometern ist der Stausee größer als das Bundesland Bremen. Ein zerstörerisches Ungetüm.

Kostbares Erbe

N -9º 15.561480, E -52º 3.193380

Brasilien. Das Land der Rhythmen, Tukans und des Amazonas. Und: das Land mit einer der höchsten Abholzungsraten der Welt. Insgesamt wurden in Brasilien bereits 783.000 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt. Auf dem Bild ist gut zu sehen, wie der Fluss Rio Xingu das Gebiet in zwei Flächen unterteilt. Rechts: Zerstörung. Die hellen Flächen zeigen die gerodeten Gebiete. Links: dichtes unberührtes Grün. Lebensraum für über 60.000 Pflanzen-, 1.000 Vogel- und mehr als 300 Säugetierarten. Wer weiß wie lange noch.

Gefährliche Schönheit

N 57º 25.048800, E 18º 32.217480

Der Klimawandel hat weitreichende Auswirkungen auf die Weltmeere und auch auf das europäische Binnenmeer, die Ostsee. Viel Sonnenschein, hohe Temperaturen und lange Tage erwärmen die Ostsee. Darüber freuen sich nicht nur wir – auch Cyanobakterien blühen dabei richtig auf. Durch die Augen eines Satelliten wirken die Blaualgen entlang der schwedischen Insel Gotland fast schon magisch. Für das Ökosystem Ostsee sind sie allerdings tödlich. Durch biologische Prozesse sorgen sie für einen Sauerstoffmangel und lassen so sogenannte “Todeszonen” entstehen. In den sauerstofflosen Zonen im Wasser existiert kaum Leben.

Außerirdisch

N 71º 26.430120, E 126º 17.430540

Nach einer 4.400 Kilometer langen Reise von den Bergen im südlichen Zentralrussland teilt sich die Lena in unzählige Ströme, die sich über die Tundra ausbreiten und die über die Laptewsee in den arktischen Ozean münden. Dieses fast außerirdisch anmutende Bild ist Teil des Lena-Deltas. Hunderte von Seen und Teichen entstehen in dem Gebiet während des kurzen Sommers. Im Jahr 2005 untersuchten Wissenschaftler die Seen und stellten fest, dass elf Prozent der größeren und kleineren Wasserspeicher zwischen 1970 und 2002 verschwunden sind. Der Schuldige scheint der auftauende Permafrost zu sein, der dafür sorgt, dass die Seen sprichwörtlich im Boden versinken.

Bunte Landwirtschaft

N 27º 4.300020, E 47º 0.566640

In den letzten Jahrzehnten hat Saudi-Arabien nach einer Ressource gebohrt, die kostbarer ist als Öl. Ingenieure und Landwirte haben versteckte Wasserreserven angezapft, um Getreide, Obst und Gemüse in der Wüste anzubauen. Durch die Kombination verschiedener Wellenlängen, die den Sensor des Satelliten erreichen, kann man den Wassergehalt beziehungsweise die Feuchte der Felder messen. So erscheinen trockene Flächen rötlich und sehr feuchte Flächen blau.

Wüstenwanderung

N 24º 22.026840, E -14º 43.300800

Die Meere aus Sand. Sie bedecken circa ein Fünftel der Sahara. Einige Dünen dieser Sandwüsten erreichen eine Höhe von 300 Metern. Infolgedessen schleudert die Sahara häufig große Staubfahnen in den Himmel und viele dieser Fahnen gelangen bis nach Europa oder überqueren sogar den Atlantik. Auf dem Bild ist eine Staubwolke aus dem Jahr 2019 zu sehen. Zur Orientierung: Oben rechts befinden sich die Kanarischen Inseln.

Sibirien brennt.

N 66º 38.761740, E 149º 58.536360

2020 war ein Rekordjahr für Flächenbrände in der russischen Arktis. Monatelang litt Sibirien unter einer extremen Hitzewelle. Im Juni letzten Jahres stieg die Temperatur sogar auf 38 Grad Celsius. Die Folge: großflächige Buschbrände. Trotz des Permafrostbodens breiten sich diese auch in der Tundra rasend schnell aus. Das sorgt dafür, dass die gefrorene Erde noch weiter auftaut. Das könnte ein Hinweis auf die Veränderungen in der Arktis sein. Klimaforscher schlagen schon lange Alarm: Die Brände in Sibirien können nicht nur dramatische Konsequenzen für das sibirische Ökosystem haben, sondern auch globale Auswirkungen nach sich ziehen.

Farbenfrohe Einöde

N 38º 29.005560, E -109º 40.693800

Was ist das für ein bunter Fleck mitten in der Wüste Utahs? Die Kali-Verdunstungsteiche sehen bizarr aus, erfüllen aber einen ganz bestimmten Zweck: Sie sind Teil eines großen Betriebs zur Gewinnung von Kaliumchlorid, was vorrangig als Düngemittel eingesetzt wird. Die 23 bunten Teiche erstrecken sich über 400 Hektar. Das Wasser wird tiefblau eingefärbt, damit die Teiche mehr Wärme von der Sonne aufnehmen können. Während des Verdunstungsprozesses ändern die Teiche ihre Farbe. Es dauert fast ein Jahr, bis aus der Sole Salz und Kalikristalle geworden sind.

Das Projekt

Niklas Jordan

Pro Tag liefern allein die 12 Copernicus-Satelliten der ESA eine Datenmenge von 250 TB. Das Problem: Oft braucht es technisches und fachliches Wissen, um Daten abzurufen. OpenSpaceData.org soll einen einfachen Zugang zu diesen gesellschaftsrelevanten Informationen ermöglichen. Das gewährleistet, dass jeder – Bürger oder NGO – Ereignisse unabhängig einordnen kann. Ein Beispiel: Dank unserer Plattform kann man auf Nah-Echtzeit-Daten von Schadstoffemissionen zugreifen. So können NGOs oder Journalisten drohende Umweltkatastrophen schnell erkennen. Gleiches gilt für humanitäre Organisationen, die nach Katastrophen wie der Explosion in Beirut, handeln wollen.

Weiterführende Links:

openspacedata.org →
twitter.com/openspacedata1 →
github.com/openspacedata →

OpenSpaceData.org demokratisiert Satellitendaten. Ziel des Projekts ist es, eine Suche bereitzustellen, die das Finden von Daten für alle – unabhängig von technischen und fachlichen Kenntnissen – erleichtert. Dafür sollen frei verfügbare Satellitendaten, wie die der ESA oder NASA, zentralisiert auf der Plattform zusammenlaufen, um über eine Suchmaske den Zugang zu diesen zu erleichtern. Das Tool übersetzt die Anfrage des Nutzers in die passenden Parameter des Satellitenprogramms. Egal, ob Einzelpersonen (Journalisten, Wissenschaftler, Interessierte) oder Organisationen (Initiativen, Vereine): Der Zugriff auf die Daten und die Nutzung dieser erhöht die demokratische Teilhabe an der Gesellschaft.

Niklas Jordan

Niklas Jordan, spricht und schreibt darüber, wie Technologien eingesetzt werden können, um planetare und gesellschaftliche Veränderungen zu verstehen. Er hat OpenSpaceData.org gegründet und entwickelt Software, die es allen Menschen ermöglichen soll, einen einfachen und freien Zugang zu Erdbeobachtungsdaten zu bekommen. Mit DisasterTech.org hat Niklas außerdem eine globale Community aufgebaut, die an Open Source Tools arbeitet, um Menschen in Krisen- und Katastrophensituationen zu helfen.

Kontakt:

niklasjordan.com →
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Credits

Wo Wasser ist, ist Leben.: Modified Copernicus Sentinel data [2021]/Sentinel Hub, processed by Niklas Jordan
Rares Nass: Modified Copernicus Sentinel data [2021]/Sentinel Hub, processed by Niklas Jordan
Leben & Tod: Modified Copernicus Sentinel data [2021]/Sentinel Hub, processed by Niklas Jordan
Kostbares Erbe: Modified Copernicus Sentinel data [2021]/Sentinel Hub, processed by Niklas Jordan
Gefährliche Schönheit: Modified Copernicus Sentinel data [2021]/Sentinel Hub, processed by Niklas Jordan
Außerirdisch: Modified Copernicus Sentinel data [2021]/Sentinel Hub, processed by Niklas Jordan
Farbenfrohe Landwirtschaft: Modified Copernicus Sentinel data [2021]/Sentinel Hub, processed by Niklas Jordan
Wüstenwanderung: Aqua and Terra MODIS data through NASA Worldview
Sibirien brennt: Modified Copernicus Sentinel data [2021]/Sentinel Hub, processed by Niklas Jordan
Lorem ipsum: Modified Copernicus Sentinel data [2021]/Sentinel Hub, processed by Niklas Jordan